Das digitale Zeitalter hat viele Bereiche unseres Lebens stark verändert. Insbesondere die Arbeitswelt wird immer stärker und schneller von der Digitalisierung geprägt. Eine große Herausforderung für Unternehmen und Arbeitnehmer. Doch viel zu häufig wird nur von neuen Belastungen gesprochen. Aber hat die digitale Umstellung vielleicht auch ungeahnte Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung im Gepäck?
Veränderte Arbeitsprozesse, neue Technologien, vollständige Vernetzung und unendliche Flexibilität – das sind nur einige Punkte, die in die Arbeitswelt der letzten 15 Jahre eingeflossen sind. Um mit der fortschreitenden Digitalisierung Schritt halten zu können, wird von Unternehmen und Arbeitnehmern immer selbstverständlicher erwartet, anpassungsfähig und aufgeschlossen allen Innovationen gegenüber zu stehen. Denn die Konkurrenz schläft nicht und wer nicht auf der digitalen Welle mitschwimmt, gehört schnell der analogen Vergangenheit an. Aber wie gelingt es in dieser Flut aus Neuerungen nicht unterzugehen, aber trotzdem authentisch zu bleiben? Das Gebot der Stunde lautet: Resilienz. Oder: Die Kunst der widerstandsfähigen Gelassenheit.
Die Gabe zur guten Krisenbewältigung
Zur Erklärung, der Begriff Resilienz stammt aus der Psychologie und bezeichnet die „Fähigkeit zu Belastbarkeit und innerer Stärke“. Gemeint ist damit, inwieweit und wie gut ein Mensch die Fähigkeit besitzt auf veränderte Lebenssituationen und neue Anforderungen zu reagieren, ohne dass die Situation für die Person negative psychische Folgen hat. Wer außergewöhnliche Belastungen, also Stress, Frustration und Schwierigkeiten, gut und nachhaltig bewältigen kann, verfügt über eine gut ausgeprägte Resilienz. Wie gut diese ausgebildet ist, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab: So spielen Charakter und Persönlichkeit eine große Rolle, aber auch die innere Haltung zum Leben. Hinzu kommen personenspezifische Begabungen und natürlich die im Leben bisher erlangten Kompetenzen und Erfahrungen. Alle diese Faktoren sind ein Wechselspiel aus genetischer Veranlagung und Lernerfahrungen im bisherigen Leben. Ein Mensch mit einem von Kindesbeinen eher introvertierten und zaghaften Charakter wird also tendenziell weniger auf außergewöhnliche (Lern-)Erlebnisse zurückblicken können, die z.B. eine gewisse Risikobereitschaft erforderten. Damit eben auch einer künftigen Krisensituation womöglich weniger gefestigt gegenüber stehen können, sprich weniger resilient, als ein extravertierter und furchtloser Charakter.
Was hat die Digitalisierung mit Resilienz zu tun?
Das digitale Zeitalter fordert viel von uns ab, insbesondere die Fähigkeit fortlaufend auf neue Technologien und automatisierte Arbeitsabläufe flexibel zu reagieren. Alles was gestern noch aktuell war, kann morgen schon veraltet und durch eine effektivere (technische) Lösung ersetzt worden sein. Dieser Umstand setzt in unserer heutigen sogenannten „VUKA-Welt“1 nicht nur voraus, permanent einen wachen Blick zu haben und sich unablässig informiert zu halten, sondern erfordert auch eine andauernde Lernbereitschaft. Und zwar häufig in Eigenregie, denn niemand kann pausenlos Lehrgänge, Coachings und Weiterbildungen absolvieren. Viel hängt davon ab, selbst aktiv zu werden und Eigenmotivation zu beweisen. Dabei gilt heutzutage nicht mehr die Entschuldigung, dass ein fortgeschrittenes Alter vor Unwissen schützt. Egal welchem Geburtsjahr man angehört, wer nicht wissbegierig Neues entdecken und verstehen will, wird sich sehr schnell selbst abhängen, ob beruflich oder privat. Genau hier setzt der Aspekt der Resilienz an. Wer sich nicht traut, sich scheut oder Angst vor Veränderungen hat, wird schnell an seine Grenzen gebracht und wird mit immer neuen Schwierigkeiten konfrontiert sein, die anhaltenden Stress verursachen können. Die Digitalisierung wird in großen Schritten weiter voranschreiten und zunehmend Errungenschaften zu Tage fördern, denen man gewachsen sein sollte. Das setzt wiederum ein hohes Maß an Widerstandskraft voraus, um sich den immer neuen Herausforderungen der digitalen Welt stellen zu können.
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“
Stimmt eben nicht! Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften zeigen, dass unser Gehirn auch im Erwachsenenalter weitaus mehr die Fähigkeit besitzt, sich neuronal zu verändern und strukturell neuen Gegebenheiten anzupassen, als bisher angenommen. Gemeint ist damit die Neuroplastizität unseres Gehirns. Unsere graue Masse verändert sich unter neuen Denkprozessen weiter, weil bestehende Areale durch intensive Aktivität zu Veränderung angeregt werden. Die im Volksmund gern genutzte Ausrede, mit zunehmendem Alter neue Dinge zu lernen, sei schwierig, zählt also nicht mehr. Denn es liegt mehr am kontinuierlichen Training als an fehlender Substanz. Wer dazulernen will, kann das bis ins hohe Alter. Wichtig sind nur Wille und Wissbegierde. Und was kann dafür besser sein, als die Digitalisierung? Neue Technologien bringen, neben allerlei Fragezeichen, auch die Möglichkeit unkomplizierter an Wissen zu gelangen als noch vor 15 Jahren: Digitalisierte Literatur, einfache Vernetzung mit Gleichgesinnten und Unmengen an Tutorials und Webinaren, die vom heimischen Küchentisch neues Wissen leichter zugänglich machen als nie zuvor. Stetiges Lernen und aktuellen Neuerungen aufgeschlossen gegenübertreten, sind das Rezept für eine gute mentale Widerstandskraft. Nur Dinge, die wir nicht verstehen und überblicken können, machen uns Angst. Sie sind bedrohlich, weil wir ihnen nicht gewappnet sind. Wenn wir jedoch Veränderungen weniger skeptisch und mit mehr Offenheit begegnen, steigert sich auch unsere Fähigkeit mit Stress, Frustration und ungeahnten Begebenheiten besser umgehen zu können. Also nichts wie ran an die digitale Revolution! Sie bedeutet lebenslanges Lernen, aber auch eine widerstandsfähige und gesunde Psyche.
1 VUKA
V= Volatilität bezieht sich auf die zunehmende Häufigkeit, Geschwindigkeit und das Ausmaß von (meist ungeplanten) Veränderungen.
U = Unsicherheit bedeutet das generell abnehmende Maß an Vorhersagbarkeit von Ereignissen in unserem privaten und beruflichen Leben.
K = Komplexität bezieht sich auf die steigende Anzahl von unterschiedlichen Verknüpfungen und Abhängigkeiten, welche viele Themen in unserem Leben undurchschaubar machen.
A = Ambiguität beschreibt die Mehrdeutigkeit der Faktenlage, die falsche Interpretationen und Entscheidungen wahrscheinlicher macht.