Kann man den Wert eines Menschen anhand seiner Leistung und Anerkennung innerhalb einer Gesellschaft messen? Es lohnt, insbesondere in unserer heutigen Leistungsgesellschaft – und das auch noch zur Weihnachtszeit – darüber nachzudenken.
Selbstbewusstsein = Selbstwert ?
Zu Beginn meiner Tätigkeit als Trainerin und Coach lud ich einen befreundeten, von mir sehr geschätzten Trainer als Co-Trainer zu meinem Seminar „Stärkung von Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit“ ein. Eine Teilnehmerin dieses Seminars litt extrem unter ihrem Aussehen. Sie entsprach zwar nicht dem gängigen Schönheitsideal, wer tut das schon, war aber absolut kein unansehnlicher Mensch. Sozusagen einfach ein normaler Durchschnittstyp. Sie hielt sich jedoch körperlich für sehr unattraktiv. Der Trainer sagte zu ihr nur einen einzigen Satz: „Aber meine Liebe, Sie sind ein überaus wertvoller Mensch!“. Sofort veränderten sich ihre Haltung und Mimik. Sie richtete sich kerzengerade auf und strahlte über das ganze Gesicht.
In mir löste dieser Satz zwiespältige Gefühle aus und war ein Denkanstoß für weitere Überlegungen. Hatte ich doch den Begriff „wertvoll“ eher materiellen Werten zugeordnet. Weit weniger jedoch den ideellen oder ethischen. Aber was macht einen wertvollen Menschen aus? Gibt es im Gegensatz dazu auch einen wertlosen Menschen?
Wertvoller oder wertloser Mensch?
Gerade boomt das Weihnachtsgeschäft und vielfach soll die Zuneigung zu einem geliebten Menschen in Form von materiellen Geschenken zum Ausdruck gebracht werden. Die Deutschen geben jedes Jahr durchschnittlich pro Kopf ca. 470 € für Weihnachtsgeschenke aus1. „Du bist mir lieb und teuer“, heißt es im Volksmund. Je lieber, „kostbarer“ der Mensch, desto williger gibt man Geld für ihn aus. Doch macht das Maß an Wertschätzung durch andere seinen Wert aus? Sprich ist sein Wert daran messbar, wie sehr er Bestandteil einer Gesellschaft ist oder etwas in dieser leistet? Oder wie groß die Zahl der Menschen ist, die ihm Wertschätzung zollen?
Das könnte eine einfache Gleichung sein. Aber sie hat Fehler und das wird gerade dann sichtbar, wenn man die Variablen etwas verändert. Frauen, die gleiche Arbeit wie Männer leisten, erhalten bekanntermaßen ein geringeres Gehalt. Ihre Leistung ist weniger Wert, nur weil sie Frauen sind. Sind sie also gesellschaftlich wertloser?
Oder noch extremer: Was ist mit den Menschen, die dieser Gleichung nicht entsprechen können? Sozial Benachteiligte, Arme und Obdachlose, um nur einige Minderheiten zu nennen, teilen gerade in einer konsumorientierten Zeit wie Weihnachten ein schweres Los. Doch trotzdem bleiben sie wertvolle Menschen. Sie sind Väter, Mütter oder Kinder. Ganz gleich, wer sie sind, was sie leisten oder geben. Sie sind der Wert Mensch.
Der Wert eines jeden Menschen ist einzigartig
In der heutigen Leistungsgesellschaft wird der Wert eines Menschen gern daran gemessen wie erfolgreich er im Leben ist, welche Ziele er erreicht hat oder auch ob er den gängigen Idealen entspricht. Fehlender Erfolg in Beruf oder Privatleben wird als Schwäche oder Versagen beurteilt. Viele Menschen verzweifeln häufig unter dieser Last und empfinden sich als nicht ausreichend oder ungenügend. Sie stellen ihren eigenen Wert als Mensch und ihr Tun in Frage, weil sie nicht der Allgemeingültigkeit entsprechen. Doch sollten wir nicht gerade in diesen auch global schwierigen Zeiten wieder einen Fokus auf die Individualität und Selbstbestimmung legen? Fängt nicht Charakter gerade da an, wo der Vergleich aufhört?
Kommen wir zurück zu meiner Seminarteilnehmerin. Durch die Aussage des Trainers fühlte sie sich plötzlich beachtet und vergaß ihre Selbstzweifel, weil man ihr Wertschätzung zollte. Sie in diesem Fall als „wertvoll“ betitelte. „Wertvoll“ war in dieser Situation keine Messeinheit ihrer Wertigkeit, sondern eine liebevolle Erinnerung an ihr Sein als Mensch. Egal, ob sie einem Ideal mehr oder weniger gut entspricht, bleibt sie ein Mensch. Wertvoll wie jeder andere. Ob schön, wohlhabend oder erfolgreich.
Jeder Mensch auf diese Erde ist einzigartig. Auch wenn er nicht nach den jeweils herrschenden gesellschaftlichen Vorgaben handelt. Oder aufgrund von Geschlecht, sozialer Herkunft, Krankheit oder auch schlicht aus Unwille nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen kann.
Quelle: https://www1.wdr.de/verbraucher/geld/geschenke-weihnachten-100.html